Michael von Hirschfeld ist Geschäftsführer der ThinkHeads GmbH, einer Personalberatung, die sich auf die Digitale Wirtschaft spezialisiert hat. Die hamburger wirtschaft sprach mit ihm über die Wünsche, die Bewerber in Zeiten zunehmender Digitalisierung an Unternehmen haben.
hamburger wirtschaft: Der US-amerikanische Onlineversandhändler Zappos hat im Sommer verkündet, künftig keine Stellenanzeigen mehr zu veröffentlichen. Warum?
Michael von Hirschfeld: Zappos hat nach eigenen Aussagen im vergangenen Jahr 31 000 Bewerbungen erhalten, aber nur 1,5 Prozent der Bewerber eingestellt. Es ist ein riesiger Aufwand alle Bewerbungen zu sichten und Standardabsagen zu verschicken. Umso frustrierender ist es, wenn es am Ende des Tages nicht gelingt, die offenen Stellen mit den richtigen Personen zu besetzen. Hinzukommt, dass fünf Prozent der Bewerber vom Profil her eigentlich so interessant wären, dass sie im Laufe des Jahres eine Chance auf einen Job bei Zappos hätten. Bisher ist es dem Unternehmen aber scheinbar nicht gelungen, diesen Pool an Talenten zu managen.
hw: Zappos setzt nun auf einen kontinuierlichen Dialog mit potenziellen Mitarbeitern. Wer Interesse an einer Anstellung bekundet, wird als „Insider“ in einen Pool aufgenommen, erhält tiefergehende Informationen zur Firma und kann über diverse Social-Media-Kanäle Kontakt zu künftigen Kollegen halten. Gibt es offene Stellen, sucht die Personalabteilung in diesem Pool nach geeigneten Kandidaten. Ist das ein zukunftsfähiges Modell?
von Hirschfeld: Das Thema Talent Management gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das punktuelle Recruiting für offene Stellen reicht auf Dauer nicht. Firmen müssen mittel- bis langfristig mit guten Bewerbern in Kontakt bleiben. Das klappt aber nicht, wenn man ihnen hin und wieder einen Newsletter schickt.
hw: Und was wird aus der guten alten Stellenanzeige?
von Hirschfeld: Bewerber wünschen sich eine authentische Firmenpräsentation und hinreichende Informationen über die Position um zu beurteilen, wie interessant das Angebot ist. Stellenanzeigen sind dafür nicht ausgerichtet. Hinzukommt, dass es in zu vielen Onlineportalen zu viele Anzeigen gibt, sodass man nicht vernünftig nach passenden Stellen suchen kann.
hw: Was genau macht Ihre ThinkHeads GmbH?
von Hirschfeld: Wir pflegen diesen Talentpool übergreifend in der digitalen Wirtschaft und besetzen punktuell Spezialisten und Führungskräfte. Die Unternehmensgröße unserer Kunden ist dabei zweitrangig, ob Konzern oder Start-up. Wichtig ist, dass der Prozess auf Kundenseite sinnvoll ist: der erste Eindruck zählt – dabei präsentiert sich das Unternehmen für den Bewerber.
hw: Ist es schwer, die richtigen Personen für offene Stellen zu finden?
von Hirschfeld: Es ist bereits schwer und wird künftig noch schwieriger werden. Denn die Branche ist durch das Unwort „Fachkräftemangel“ gekennzeichnet. Jeder Kandidat, den wir vermitteln, hat mehrere Optionen. Es gibt niemanden, der nicht zur gleichen Zeit andere Jobangebote auf dem Tisch hat. Das setzt die Unternehmen natürlich unter enormen Druck. Sie müssen sich gut darstellen, um für potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu sein und den Bewerber wertschätzen. Unser Job ist es, das Unternehmen authentisch zu repräsentieren, wenn wir mit potentiellen Kandidaten sprechen. Um erfolgreich zu sein, müssen beide Parteien – unsere Kunde und wir – nicht nur professionell und schnell sein, sondern auch die Erwartungen von Kandidaten verstehen.
hw: Welche Anforderungen stellen Unternehmen an ihre künftigen Mitarbeiter?
von Hirschfeld: Unternehmen wünschen sich Umsetzungsstärke, Lernbereitschaft, Neugierde und Zuverlässigkeit. Zudem wird das Thema Kommunikation immer wichtiger, selbst im technischen Bereich. Auch der Softwareentwickler sitzt heute nicht mehr irgendwo alleine und entwickelt im Stillen vor sich hin. Agile Methoden und agiles Management bringen hier einen Wandel vor allem durch Kommunikation, dessen volle Auswirkungen erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. Heute werden Unternehmen durch die IT als Initiator „agilisiert“, in Zukunft wird agiles Denken Teil der gesamten Unternehmenskultur werden.
Für eine gute Besetzung ist der gesamte „Fit“ wichtig und wenn jemand in der Persönlichkeit und Kommunikation überzeugt, kann man fachliche Lücken leichter ausgleichen.
hw: Das heißt, Unternehmen suchen nicht immer den in jeglicher Hinsicht „perfekten“ Bewerber?
von Hirschfeld: Unternehmen werden flexibler bei der Besetzung neuer Stellen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Zahl der infrage kommenden Personen in einigen Bereichen extrem klein ist. Suchen wir beispielsweise Vertriebsleute für einen Anbieter von Real-Time-Bidding-Lösungen, einem Verfahren zum Schalten von Onlinewerbung, dann gibt es in Deutschland entsprechende Spezialisten in vielleicht 15 Unternehmen, die sich seit etwa zwei Jahren damit befassen. Wir haben in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht, wenn die Chemie zwischen Kandidat und Unternehmensvertretern grundsätzlich stimmte. Ist der Bewerber zudem motiviert und lernbereit und bringt Erfahrungen aus einem verwandten Fachgebiet mit, dann kann man ihm das spezifische Wissen für die offene Stelle auch nachträglich beibringen.
hw: Was wünschen sich eigentlich Bewerber von ihrem zukünftigen Arbeitgeber
von Hirschfeld: Sie möchten für agile Unternehmen ohne feste Strukturen und Abteilungen arbeiten. Vor allem die Jüngeren sind in der digitalen Welt aufgewachsen und stellen auch entsprechende Ansprüche an Unternehmen. Das fängt bei der Technik an. Sie wünschen sich eine moderne Arbeitsumgebung sowie bestimmte Freiheitsgrade. Machen wir uns nichts vor: Privat- und Berufsleben verschmelzen miteinander. Es ist heute undenkbar, private Mails nicht zumindest punktuell auch am Arbeitsplatz zu lesen. Und was den Bewerbungsprozess angeht, wollen diese „Digital Natives“ schnelle Kommunikation und Entscheidungen.
hw: Wie schnell ist schnell genug?
von Hirschfeld: Morgen das Bewerbungsgespräch, übermorgen den Vertrag unterschreiben und überübermorgen anfangen zu arbeiten: Das ist natürlich unrealistisch. Aber wenn wir mit Kandidaten über eine Stelle sprechen, sie dem Unternehmen vorschlagen, ihnen erzählen, dass man sie unbedingt kennenlernen will und dann erst einmal drei Wochen lang nichts passiert, dann verpufft das Momentum. Denn: Der erste Eindruck zählt. Bekommt der Bewerber wochenlang kein Feedback, verfliegt seine Begeisterung für die Stelle und er bekommt Zweifel, ob die Firma wirklich ein passender Arbeitgeber für ihn ist. Schlussendlich sinkt die Wahrscheinlichkeit von Tag zu Tag, dass Kandidat und Unternehmen zueinanderfinden. Wenn wir allerdings davon überzeugt sind, dass der Kandidat für die Position stimmig ist, dann sehen wir zu, Zweifel auszuräumen. Denn manchmal ist in unserer schnelllebigen Zeit die Fähigkeit des Abwartens Gold wert.
Madeline Sieland
madeline.sieland@hk24.de
Telefon 36138-396
Zur Person
Michael von Hirschfeld (45) hat an der Fachhochschule Wedel Wirtschaftsinformatik studiert. Nach seinem Abschluss 1993 arbeitete er unter anderem für die Unternehmensberatung Accenture sowie die Softwarefirmen Oracle und Netscape. 2005 wechselte er in die Personalberatung und gründete vor vier Jahren die ThinkHeads GmbH.